Es gibt zahlreiche Studien und wissenschaftliche Artikel, die die positiven Effekte von Achtsamkeit belegen. Hier könnt ihr nachlesen, welche Veränderungen ich nach jahrelangen Erfahrung bei meinen Kursteilnehmern immer wieder beobachten durfte.
Zunächst, was versteht man unter Achtsamkeit?
Achtsamkeit oder achtsame Haltung entsteht, wenn wir absichtsvoll von Moment zu Moment versuchen im Hier und Jetzt zu verweilen, ohne zu urteilen. Und das tun wir mit größtmöglicher Freundlichkeit.
Diese Haltung trainieren wir wie einen Muskel und mit der Zeit gelingt es uns, immer besser darin zu verweilen.
Die 7 Vorteile der achtsamen Haltung
Wir Menschen sind sehr verschieden und kommen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen zur Achtsamkeit. Dementsprechend sind die positiven Auswirkungen von Achtsamkeit sehr vielfältig. Trotzdem dürfen wir laut Studien und auch aus meiner Erfahrung meistens durchaus mit einigen positiven, nachfolgend beschriebenen Auswirkungen rechnen.

1. Neue Bewältigungsstrategien durch das Sehen von Optionen
Im MBSR-Unterricht sprechen wir manchmal von dem sogenannten „mittleren Weg“. Der mittlere Weg bedeutet das Gegenteil von „ganz-oder-gar-nicht“ als Haltung einzunehmen. Wenn wir gestresst sind, dann sucht unser Geist automatisch nach schnellen Lösungen. Dadurch werden viele Details ausgeblendet und es wird permanent bewertet: „Das passt!“ oder „Das passt nicht!“ bzw. „Das schaffe ich!“ oder „Das schaffe ich nicht!“. Manchmal in Sekundenschnelle entscheiden wir, ob etwas einen Wert für uns hat oder nicht. Dadurch verpassen wir eine Fülle von Lösungsmöglichkeiten, die zwischen „ganz-oder-gar-nicht“ liegen oder außerhalb davon. So kann es passieren, dass wir uns gute Vorsätze am Jahresanfang vornehmen und dann feststellen, dass wir doch nicht genug Zeit und Ressourcen investieren können. Der gestresste Geist ist dann frustriert und wir werfen die guten Vorsätze über Bord, obwohl wir wissen, dass eine Veränderung uns gut täte. Nach dem Motto: „Entweder ich mache es richtig, oder ich mache es gar nicht!“.
Wenn wir uns angewöhnen regelmäßig achtsam innezuhalten, dann bewirkt es, dass wir erst mal darüber nachdenken, warum die guten Vorsätze nicht klappen und kommen vielleicht zu dem Schluss, dass die Ziele zu hoch gesteckt sind, die Lebensbedingungen angepasst werden müssen. Zudem stellen wir vielleicht fest, dass wir heute oder in dieser Woche zwar weniger Zeit haben, aber ein kleiner Teil dessen, was wir gerne verändern möchten trotzdem gemacht werden kann. Das ist der mittlere Weg als Gegenteil zu „100%-oder-ich-lasse-es“.
2. Der Lebensrhythmus verlangsamt sich
Das regelmäßige Einnehmen von achtsamer Haltung führt dazu, dass die Augenblicke erlebt werden. Mitten im Tun halten wir an und sind präsent für das Leben hier und jetzt. Auch wenn es nur ein paar Momente alle paar Stunden sind, in denen wir den Atem und den Körper spüren, unsere Launen, den Geruch des Frühlings, die Wärme der Sonne usw. erleben. Diese kurze Pausen werden die Taktung des Tages mitgestalten. Dadurch kommen uns neue Ideen, wie wir unsere Alltagsroutine täglich ein bisschen verändern können. Zum Beispiel können wir die Entscheidung treffen, das Auto etwas weiter zu parken und ein Stück des Weges zu gehen, um die Kühle der frischen Winterluft einzuatmen oder das zarte Grün der ersten Blätter zu sehen. Das Leben ist dann nicht mehr nur eine Aufgabenliste, sondern wir geben uns Raum für lebenswerte Momente.
3. Der Schlaf wird besser
Ein Teilnehmer, der unter Migräne litt, berichtete mir begeistert, dass er nach nur einer Woche des Übens vom „Body-Scan“ (eine Meditationsart im Liegen) zum ersten mal seit Jahrzehnten eine Verbesserung im Schlaf beobachten konnte. Das muss sich natürlich nicht für alle so schnell ergeben, trotzdem höre ich nicht selten von meinen Klienten, dass das Einschlafen und auch das Durchschlafen sich verbessern. Manche nennen den Body-Scan „meine Einschlaftablette“. Die schlaffördernde Wirkung wurde schon in den 60er Jahren von Jon Kabat-Zinn, dem Entwickler vom MBSR-Programm („Programm zur achtsamkeitbasierten Stressbewältigung“), festgestellt und in seinem Buch „Gesund durch Meditation“ beschrieben.
4. Verbesserung von Selbstregulation: „Ich kann jetzt besser runterfahren“
Das permanente Lösen und Erledigen von Aufgaben am Tag verlangt von uns Konzentration und auch eine gewisse Anspannung. Je länger die Aufgabenliste, desto größer kann diese Anspannung werden. Der Körper reagiert nach einer gewissen Zeit mit der chronischen Anspannung. Wir beobachten dann, dass wir Abends nicht mehr so leicht „runterfahren“. Durch das tägliche Meditieren kreieren wir einen Zeitabschnitt, in dem es dem Körper und dem Geist möglich wird zur Ruhe zu kommen. Diese tägliche Pausenroutine kann dann eine entspannende Wirkung im Körper spürbar machen.
5. Umgang mit den stressverschärfenden Gedanken
Wenn wir seit Wochen, Monaten oder vielleicht sogar seit Jahren mit termindichten, arbeitsintensiven oder einfach belastenden Zeiten zu tun haben, stellen wir manchmal fest, dass wir nicht mehr so leicht aufhören können über die Aufgaben oder die Probleme nachzudenken. Unser Denkapparat verselbständigt sich und wir erleben, dass zum einen die immer gleichen Gedanken Schleifen bilden und zum anderen, dass diese Art zu Denken anstrengend wird und wir das am liebsten irgendwie „abstellen“ möchten.
Die Achtsamkeit lässt uns nach einer Weile des Innehaltens zu einer weiten Perspektive finden. Wir erkennen: „Ich bin nicht die Gedanken, sondern ich habe Gedanken!“. Und es kann sich darüber hinaus mehr Gelassenheit entwickeln, bei der wir die Gedanken, wie auch unseren Wunsch, sie los zu werden, einfach sein lassen können. Wir lernen Milde kennen – uns selbst und den anderen gegenüber.
6. Die Selbstfürsorge wird zu einer Routine
Ich glaube, es ist vor allem die Erkenntnis, dass wir Bedürfnisse haben, zum Beispiel nach Ruhe und Umsorgt-Werden, die uns zum achtsamen Umgang mit uns motiviert. Immer öfter kann in Zeiten der Pause die Frage auftauchen „brauche ich noch etwas?“ oder „kann ich mir gerade etwas Gutes tun?“. Außerdem erleben wir die Signale des Körpers viel deutlicher und kennen uns dann besser damit aus, was uns guttut und was nicht. So lernte ich zum Beispiel, dass ich mit dem Kaffee-Konsum gerade in den Zeiten mit hoher Termindichte besonders aufpassen muss und dass ich danach genug Erholungszeit einplanen sollte.

7. Umgang mit dem Unbekannten
Wenn ein unangenehmes Thema auftaucht, dessen Ausgang wir noch nicht kennen, dann macht es keinen Sinn, sich die Lösungen zu überlegen. Hier bietet uns die achtsame Haltung einen Weg mit dem Unbekannten bzw. mit dem Nicht-Wissen umzugehen. Die natürliche Reaktion mit dem Unangenehmen ist es, es irgendwie weg zu bekommen. Was tun, wenn dies nicht geht? Ein jeder Moment bietet uns den Raum zum Innehalten und Nichts-Tun. Das gelingt nicht leicht und trotzdem kann es trainiert werden.
Wie trainieren wir Achtsamkeit?
Die achtsame Haltung lässt sich in der Regel gut trainieren. Im MBSR-Programm treffen wir uns 8 Wochen lang im Gruppenkreis und probieren verschiedene Meditationsarten aus. Wir meditieren im Liegen, im Bewegen und im Sitzen. Darüber hinaus gibt es den Austausch und den theoretischen Teil. Neben Meditation gibt es Anleitungen zu verschiedenen Gelegenheiten im Alltag, bei denen wir ebenfalls die achtsame Haltung trainieren können. Zwischen den Treffen probieren die Teilnehmenden über den „mittleren Weg“ eine eigene Achtsamkeitsroutine zu entwickeln. Hier lernen sie, welche Meditationsart und in welcher Länge ihnen taugt. Außerdem entdecken sie Möglichkeiten, die sie zum Innehalten oder für andere Arten von Achtsamkeit nutzten können, ohne extra Zeit dafür einzuplanen.
Wie fange ich mit dem Kultivieren von Achtsamkeit an?
Egal, wie viele Artikel oder Podcasts du zum Thema Achtsamkeit schon konsumiert hast – die Wirkung auf deinen persönlichen Alltag kannst du nur über das Ausprobieren erfahren. Manche spüren den Effekt am deutlichsten beim Bodyscan für die anderen sind es die achtsam ausgeführten Bewegungen in der Stille, für die dritten ist es die Sitzmeditation, die sie am besten mit dem Lebensmomenten verbinden. Denn unser Leben geschieht immer nur in diesem Augenblick und in diesem Augenblick und so weiter.
Hast du 3 Minuten Zeit für eine kleine achtsame Pause? Hier geht es zur angeleiteten Meditation „3-Minuten-Atemraum“.
Hast du noch weitere Fragen zum Trainieren von Achtsamkeit? Dann kontaktiere mich gerne!